Nach dem Erfolg

5 Phasen der Verarbeitung kritischer Lebensereignisse

Nach dem Erfolg - 5 Phasen der Verarbeitung kritischer Lebensereignisse

von Dieter Bickenbach

Woran liegt es, dass so viele Menschen nach einem größeren Erfolg, einer erfolgreichen Karriere in ein Loch fallen? Weshalb ist das etwas ganz Normales? Wir wollten mehr darüber wissen und haben uns auf die Suche gemacht.

Viel gab es nicht. Niederlagen, Scheitern und ihre Verarbeitung wird episch beschrieben. Noch mehr wird ausgeführt, wie sich Erfolg generieren lässt – auch wenn das eher gut gemeinte Tipps oder Ratschläge kluger Coaches und Berater sind. Da wir wissen, dass „gut gemeint“ das Gegenteil von „gut“ und jeder Ratschlag ein Schlag ist, haben wir das links liegen lassen.

Ein Thema fehlt fast völlig: Welche Auswirkungen haben große Erfolge auf mein weiteres Leben? Wie wird Erfolg verarbeitet? Was passiert mit mir, wenn sich der Erfolg irgendwann nicht mehr aufrechterhalten oder wiederholen lässt? Hier soll es vor allem genau darum gehen.

Lassen Sie uns etwas tiefer einsteigen. Was machen Menschen durch, die hohe Gipfel erklommen, sich dort vielleicht sogar gut eingerichtet haben, aber irgendwann in die Niederungen der Normalität hinabsteigen müssen. Welche emotionalen Prozesse durchleben sie? Was muss geschehen, damit sie das Leben nach dem Erfolg wieder als relevant erleben können? Wann und wie entdecken sie Türen in ein anderes Leben, die sie bisher noch gar nicht wahrgenommen haben? Denn auch wenn wir vermuten, dass erfolgreiche Menschen ihren Erfolg wiederholen werden, kennen wir alle die Gegenbeispiele – vor allem aus dem Sport und der Unterhaltungsindustrie. Der erfolgreichen Unternehmerin Steffi Graf steht der insolvente Boris Becker gegenüber. Einem Neu-Unternehmer Philipp Lahm steht ein Gerd Müller gegenüber, dem seine alten Kameraden vom FC Bayern in der Alkoholkrankheit geholfen haben.

Was ist eigentlich Erfolg? Laut Wikipedia ist Erfolg, „wenn Personen oder Personenvereinigungen die gesetzten Ziele erreichen. Gegensatz ist der Misserfolg.“ Ziele bieten Orientierung, sie zu erreichen erscheint sinnvoll. Es ist befriedigend sie zu erreichen. Wir fühlen uns gut, wenn es gelingt. Aber hinter dem Erfolg verstecken sich einige Fallen.

Da ist zunächst einmal der Erfolg selber. Erfolg kann als sogenanntes kritisches Lebensereignis gesehen werden. Dabei handelt es sich um „ein Ereignis, das die bestehende Lebenssituation einer Person verändert und sie zu Maßnahmen der Bewältigung und Anpassung zwingt. (…) Zu den kritischen Ereignissen werden hier auch Entwicklungsaufgaben und Rollen-Übergänge gerechnet. Sie lösen entwicklungsmäßigen Wandel aus.“ Soll heißen, es gibt Ereignisse im Leben, die uns zwingen, uns an neue Gegebenheiten anzupassen. Einige davon sind krisenhafte, andere erfreuliche Übergänge von einer Lebensphase in die nächste, etwa der Verlust des Jobs oder die Geburt eines Kindes. Erfolg ist ein solches, kritisches Lebensereignis. Mit dem Erfolg ändert sich alles. Die erfolgreiche Person steht – plötzlich – im Mittelpunkt. Sie erfährt Wertschätzung bis hin zur Verehrung. Sie ist gefragt. Sie gewinnt zumeist auch materiellen Wohlstand. Mit anderen Worten, sie erlebt alles, was gemeinhin als wünschenswert angesehen wird. Damit umzu gehen, will gelernt sein und erfordert erhebliche Entwicklungs- und Anpassungsleistungen.

Es droht ein Gefühl innerer Leere

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An anderer Stelle haben wir beschrieben, wie es einem Michael Phelps, dem erfolgreichsten Schwimmer aller Zeiten damit ging. Die erfolgreiche Person ist plötzlich gezwungen, mit Erwartungen umzugehen, die sie vorher allenfalls selbst an sich gestellt hat. Sie muss erfolgreich bleiben, sich auf dem Gipfel einrichten und die Position verteidigen. Gelingt ihr das nicht oder nicht mehr, geht es zwangsläufig bergab – womit wir beim nächsten kritischen Lebensereignis wären. Es entsteht Leere. Ziele scheinen nicht mehr erreichbar. Orientierung und Sinn lösen sich auf. Plötzlich fehlen wesentliche Ankerpunkte. Plötzlich entwickelt jemand, der alles – erreicht – zu haben scheint, ein Gefühl innerer Leere.

Anders als im Sport oder in der Unterhaltungsbranche entwickelt sich der Weg zum Erfolg im Geschäftsleben in der Regel stetiger und anonymer. Soweit wir hier nicht über außerordentlich erfolgreiche Startups sprechen, entwickelt sich die Karriere Schritt für Schritt – im selben Unternehmen oder mittels geschickter Karrieresprünge von Unternehmen zu Unternehmen. Sie wachsen Schritt für Schritt in den Erfolg hinein. Umso schwieriger ist aber der Verlust der einmal erklommenen Position, also eine Kündigung.

In einer Studie mit Top-Managern, die ihren Job verloren haben,[1] beschreiben Marcus Heidbrink und einige Kollegen den mentalen Anpassungsprozess, den die Top-Manager durchlaufen haben, bis eine Neuausrichtung erfolgreich vollzogen war.

Die Phasen, die sie beschreiben, sind sehr interessant, weil sie sehr stark dem Modell ähneln, dass Elisabeth Kübler-Ross in den 60er-Jahren für die Trauerarbeit entwickelt hat[2] – ein Hinweis darauf, worum es bei dem Verlust des Jobs und des Status im Kern geht, um Trauerarbeit, die Verarbeitung eines Verlustes.

  1. Mit meiner Top-Position sind Status, Anerkennung und nicht zuletzt auch materielle Absicherung verbunden. Je länger das wärt, desto mehr werden Person und Position in der Selbst- und Fremdwahrnehmung eins. Ich bin an der Spitze, ich bin gefragt, ich werde hofiert, mein Wort hat Gewicht. Mein Tag wird durch meine Funktion und ihre Anforderungen strukturiert.
  2. Die Trennung ist ein Schock. Ich verliere eine Position und damit Status. Ich erwarte Dankbarkeit und erhalte Kritik oder gar Desinteresse. Je nach Typ tauchen Ungläubigkeit, Wut, Selbstzweifel oder ähnliches auf oder alles zusammen. Es entsteht Leere. Ich falle in ein Loch.
  3. Wenn ich die neue Situation akzeptiert habe, übernimmt wieder der aktive Teil in mir. Ich bewege mich, mobilisiere meine Kontakte, suche nach ähnlichen Positionen und Rollen, habe ermutigende Erlebnisse und
  4. muss in der Regel feststellen, dass daraus nichts wird, meine Bemühungen versanden. Andere Unternehmen zahlen für einen Neueinsteiger in der Firma keinen Vertrauensvorschuss. Kurz: die Illusion vom schnellen Wiedereinstieg zerplatzt.
  5. Jetzt wird es spannend, denn jetzt entscheidet sich, wie es weitergeht. Ich kann versuchen, die Ochsentour noch einmal zu starten. Ich akzeptiere Abstriche an meinen Erwartungen und steige in einem neuen Unternehmen wieder ein. Kann ich doch mit umgehen. Habe ich doch schon einmal gezeigt. Vielleicht akzeptiere ich keine Abstriche und muss erkennen, dass diejenigen, die mich angemessen, das heißt meinem Selbstbild entsprechend, bewerten, rar gesät sind. Dann warte ich darauf, dass mich so jemand entdeckt – und warte und warte, bis die Reserven aufgebraucht sind. Oder ich erkenne und akzeptiere die außergewöhnliche Chance, die sich mir gerade jetzt bietet. Ich kann mich völlig neu erfinden, nicht einfach, aber überaus anregend, spannend und erfüllend – wenn’s gelingt.[3] Ob es gelingt, ist offen.

Für jeden und jede Einzelne ist das ernüchternd und anstrengend. Von Ausnahmen abgesehen durchlaufen alle diesen sozial und emotional sehr anstrengenden Prozess – und zwar in vollem Umfang. Eine Abkürzung gibt es nur, wenn mir versehentlich eine ähnliche Position in einem bekannten Umfeld über den Weg läuft – mit anderen Worten, wenn sich kaum etwas verändert. Es braucht diesen Verarbeitungsprozess, bevor ich wirklich Neues beginnen kann, ähnlich wie sich Trauerprozesse nicht beschleunigen lassen, sondern genau so lange dauern, wie jeder und jede Einzelne braucht.

Halbherzigkeit funktioniert nicht

Warum ist das so? Neuorientierung gelingt nur, wenn ich davon überzeugt bin, dass Richtige zu tun. Halbherzigkeit funktioniert nicht, weder mir selbst noch anderen gegenüber. Daher muss ich mich der oft unangenehmen neuen Situation stellen, ich muss anerkennen, was sich verändert hat, und bin erst dann offen für Neues.

Haben Sie sich und Ihre Gefühle wiedererkannt? Stecken Sie gerade in genau diesem Prozess? Dann möchten wir Ihnen das (Er-)Leben gerne etwas erleichtern und Ihnen folgende Angebote machen:

Selbst-Coaching

kostenlos, digital

In unserem kostenlosen Online-Selbst-Coaching führen wir Sie durch einen Prozess, in dem Sie Ihre offenen Fragen selbständig klären können.

Individuelles Coaching

persönlich, digital via Video

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Lassen Sie sich von erfahrenen Coaches dabei helfen, Bilanz zu ziehen, hinter die offensichtlichen Dinge zu schauen und sich selbst neu auszurichten – auch wenn die Veränderungen schlussendlich vielleicht nur geringe sein.

Offener Workshop

digital und analog

Lassen Sie sich durch einen Prozess der Selbstreflexion führen, tauschen Sie sich mit Anderen aus, denen es ähnlich geht, und erweitern Sie ihre mentalen Landkarten mit Hilfe gezielter Impulse. 

[0] This file is licensed under the Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 International license. 

[1] Sebastian Debnar-Daumler, Marcus Heidbrink, Julian Brands, Claus Verfürth: Top-Manager in beruflichen Umbruchphasen – Wie der Umbruch erlebt wird und die Neuausrichtung gelingt, Springer Gabler, Wiesbaden 2016

[2] Elisabeth Kübler-Ross, Interviews mit Sterbenden, Kreuz Verlag, 1971

[3] Ich habe mir erlaubt, einige Anpassungen am Verarbeitungsmodell von Debnar-Daumler und seinen Kollegen vorzunehmen.

Titelphoto: Sven Brandsma on Unsplash

Autor: Dieter Bickenbach

Autor: Dieter Bickenbach

Co-Gründer und Geschäftsführer des geschaeftswarenladens

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