Voll das Klischee

Die Midlife-Crisis

Voll das Klischee - die Midlife Crisis

von Dieter Bickenbach

„Sie machen auf mich den Eindruck von jemandem, der nicht so recht weiß, was er will. Ich hatte ihnen vor allem im konzeptionellen Bereich mehr zugetraut.“ Hat sie sie noch alle? Wie kann sie mir eine solche Abfuhr erteilen. Sie ist zwar Leiterin des Berliner Büros dieser Beratungsfirma. Aber trotzdem. Ich weiß doch, was ich kann – gerade im Konzeptionellen. Hatte ich mich nicht verständlich machen können. Ich war verwirrt und verunsichert, als ich aus dem Büro auf die Straße trat. Wieso gelang es mir nicht, zu zeigen, was ich kann. Das hatte bisher doch immer ganz gut geklappt.
Als ich dieses Gespräch führte, war ich an dem Punkt angelangt, wo ich gar nichts mehr wusste. Ich war tief in die Krise geraten – als Konsequenz einer Fehleinschätzung meiner selbst, einer Reihe von Entscheidungen und eines Black-Swan-Ereignisses[1]. Das Feedback hatte einen heilsamen Effekt. Mir wurde endgültig klar, dass etwas passieren musste, ich mich wiederfinden musste. Nur wie?

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Alles begann mit einem massiven Konflikt. Es fiel mir immer schwerer meinen damaligen Chef ernst zu nehmen[2]. Der Mann, der für Personal- und Organisationsentwicklung zuständig war, war in meinen Augen ein bürokratischer Erbsenzähler. Er fand in jeder Tabelle sofort die Zahl, die nicht passte, konnte aber mit meinen bildhaften Entwicklungsdarstellungen überhaupt nichts anfangen. Meine Wut wuchs über die Zeit so stark, dass ich irgendwann nicht mehr an mich halten konnte und ihn im Rahmen eines gemeinsamen Workshops frontal anging. Ich konnte einfach nicht mehr ertragen, dass diese – meines Erachtens – völlige Fehlbesetzung mein Chef sein sollte. Kamen die wesentlichen Impulse nicht von mir, und zwar nicht nur für die Entwicklung der Organisation, sondern auch der Personalentwicklung? Wie soll ich mit so einem Menschen vor der Nase weiterkommen? Da muss doch noch mehr gehen!

Da ausgeschlossen war, dass ich ihn intern würde ersetzen können, ging der Blick zunehmen nach außen. Geschäftsführung eines mittelständischen Unternehmens wäre doch cool, oder? Da wäre auch noch ein operativer Anteil drin, der mir als Projektmanagement-Fan doch eigentlich liegen müsste. Ich erzählte herum, dass ich über eine Veränderung nachdächte und bekam tatsächlich ein sehr interessantes Angebot. Heute würde man den Job als COO des damals größten deutschen Carsharing-Anbieters bezeichnen. Der Auftrag: wie erobern Deutschland. Das hörte sich glänzend an. Es war alles da, ein tolles Produkt mit ökologischem Anspruch, eine Wachstumsperspektive nicht nur für das Unternehmen, sondern auch für mich, eine spannende Aufgabe mit Führungsfunktion.

Dann der Realitätsschock. Das Unternehmen war in einem erbärmlichen Zustand. Es musste saniert werden. Na gut, dann halt die Ärmel aufkrempeln und loslegen. Es stellte sich nur leider heraus, dass meine Sicht auf die Dinge nicht passte. Ins Leere laufende Initiativen hätten noch angepasst werden können. Fehler im Umgang mit Mitarbeiterinnen wären im Laufe der Zeit sicherlich korrigierbar gewesen. Nicht zu ändern war der grundsätzliche Dissens über den Sanierungsweg mit dem Gründer und Mehrheitseigner des Unternehmens.

Vermutlich ist es besser wieder zu gehen. Hatten die Kollegen, die uns kaufen wollten nicht gesagt, sie hätten Bedarf für ihren neuen Beratungspool.

Also war ich nach 6 Monaten wieder draußen.

Die Sache mit dem Beratungspool ließ sich sehr gut an. Sie waren bereit mir ein sicheres Festgehalt zu zahlen und wir begannen einige sehr interessante, zum Teil internationale Projekte mit dem Ziel, Carsharing-Angebote aufzubauen. Dann kam 9/11. Wir waren gerade bei einem großen Autovermieter als die Flugzeuge in die zwei Tower flogen. Danach brachen alle Projekte in kürzester Zeit zusammen. Die Autovermietung hatte massive Umsatzrückgänge und stellte das Carsharing-Projekt ein. Die internationalen Projekte in Frankreich und Italien verläpperten irgendwie. Von unseren lokalen Aktivitäten in einer deutschen Großstadt profitierten vor allem die Platzhirsche. Und ich war als verantwortlicher Berater nicht Entrepreneur genug, um den Laden den neuen Umständen entsprechend neu auszurichten. Plötzlich waren alle Projekte weg und der Beratungspool wurde wieder aufgelöst. Ich stand vor der Frage, was nun? Wie sollte es weitergehen?

Krise

Das kann doch gar nicht sein, oder?
Doch es kann. Die Projekte sind weg und es gibt keine neuen. Nimm zur Kenntnis, dass sie den Beratungspool aufgelöst haben. Außerdem schau doch mal auf dein Konto. Die Reserve schmilzt verdammt schnell ab, oder.
Mist, und jetzt? Die Leute mit eigenen Beratungsunternehmen hast du alle schon angesprochen. Die versprechen zwar viel, aber passiert ist bisher gar nichts. Eigene Akquise hat Vorlaufzeiten von eineinhalb Jahren. Außerdem ist das wirklich nicht deine Stärke. Also, was jetzt?

Ich war am Tiefpunkt. Vermutlich unnötig zu erwähnen, dass auch meine Partnerin nach 16 Jahren zu neuen Beziehungsufern aufbrechen wollte. Es kommt ja immer alles auf einmal.

Und zum guten Schluss auch noch das. Da überwindest du deine Aversion gegen Akquise und sprichst diese Kollegin an, ob es nicht Kooperationsmöglichkeiten gibt, und dann sowas. „Du scheinst sehr stark verunsichert. Kann ich dir helfen?“ Ich will mir nicht helfen lassen, ich will kooperieren, gemeinsam etwas entwickeln. Komme ich so verunsichert rüber, dass ich ein Helfersyndrom auslöse? Hatte mein alter Kumpel nicht letztens auch so was gesagt. Ich müsse mir klar werden, wie es weiter gehen kann. „Triff eine Entscheidung, wie deine Lebensreise weitergehen soll, wenigstens für die nächste Etappe.“

Tritte in den Hintern

Es waren diese Tritte in den Hintern, die ich offensichtlich brauchte, um aktiv zu werden. Das Herumeiern zwischen den Möglichkeiten als angestellter Berater, als freiberuflicher Organisationsentwickler oder als operativer Manager in einem Unternehmen musste aufhören. Ich musste eine Entscheidung treffen. Wollte ich mich wirklich in die Ungewissheit der Freiberuflichkeit aufmachen? War es nicht viel vernünftiger wieder eine angestellte Tätigkeit anzunehmen? Ich entschied mich. Ich wollte keinen Chef mehr haben – also die Freiberuflichkeit.

Was dann geschah war erstaunlich. Kaum dass ich diese Entscheidung getroffen hatte, kamen die ersten Anfragen. Es begann bescheiden mit einer Workshop-Moderation hier oder dort. Aber nach inzwischen gut 20 Jahren bin ich immer noch im Geschäft und zwar – wie ich finde – recht erfolgreich.

Wenn ich heute auf diese Zeit zurückblicke, fallen mir ein paar Punkte auf:

  • Die neue Lebensphase kündigt sich schleichend an, mit leichter, eigentlich kaum nachvollziehbarer Unzufriedenheit. Es ist oft ein unterschwelliger Unmut, der sich je nach Typ nach außen (Wut) oder nach innen (Depression) auswächst.
  • Die Veränderung ist unausweichlich. Ob sie funktioniert, ist völlig offen. Ich musste erst die Bereitschaft entwickeln, mit Kontrollverlust umgehen zu lernen – eine Aufgabe, die für mich übrigens noch lange nicht abgeschlossen scheint.
  • Um dahin zu kommen, brauchte ich Unterstützung. Für mich waren das drei hilfreiche Tritte in den Hintern. Für introvertierte Menschen ist das im ersten Schritt vermutlich die – geführte – Selbst-Reflexion, für extrovertierte Menschen das Gespräch, mit vertrauten Menschen, in Form eines Coachings oder ein Erfahrungsaustausch in Form eines Workshops.

Wo stehen Sie? Noch in der Phase der latenten Unzufriedenheit oder etwa schon bei der Ratlosigkeit, wie es weitergehen soll? Könnte es hilfreich sein, einmal Bilanz zu ziehen und zu prüfen, wo sie stehen und was sie eigentlich wollen? Sie glauben gar nicht wie sehr es entlastet, festzustellen, am richtigen Ort zu sein oder wirklich zu neuen Ufern aufbrechen zu wollen.

Selbst-Coaching

kostenlos, digital

In unserem kostenlosen Online-Selbst-Coaching führen wir Sie durch einen Prozess, in dem Sie Ihre offenen Fragen selbständig klären können.

Individuelles Coaching

persönlich, digital via Video

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Lassen Sie sich von erfahrenen Coaches dabei helfen, Bilanz zu ziehen, hinter die offensichtlichen Dinge zu schauen und sich selbst neu auszurichten – auch wenn die Veränderungen schlussendlich vielleicht nur geringe sein.

Offener Workshop

digital und analog

Lassen Sie sich durch einen Prozess der Selbstreflexion führen, tauschen Sie sich mit Anderen aus, denen es ähnlich geht, und erweitern Sie ihre mentalen Landkarten mit Hilfe gezielter Impulse. 

[1] „Der Schwarze Schwan: Die Macht höchst unwahrscheinlicher Ereignisse ist ein 2007 erschienenes Buch des Publizisten und ehemaligen Optionshändlers Nassim Nicholas Taleb. Das Werk konzentriert sich auf die extremen Auswirkungen seltener und unvorhersehbarer Ausreißerereignisse – und auf die Tendenz des Menschen, nachträglich vereinfachende Erklärungen für diese Ereignisse zu finden. Taleb nennt dies die Black Swan-Theorie.“ Wikipedia, Der Schwarze Schwan (Nassim Nicholas Taleb), https://de.wikipedia.org/wiki/Der_Schwarze_Schwan_(Nassim_Nicholas_Taleb), 15.02.2021

[2] Dass hier in Wirklichkeit eine ganz andere Nummer ablief, ich einen ganz anderen Konflikt mit ganz anderen Menschen auf ihn übertrug und ihn quasi als Blitzableiter missbrauchte, merkte ich erst viel später.

Titelphoto: Christian Ridder (http://business-as-visual.com/)

Autor: Dieter Bickenbach

Autor: Dieter Bickenbach

Co-Gründer und Geschäftsführer des geschaeftswarenladens

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