Wenn Erfolg langweilig wird ...

Am Tag, nachdem sie als Fondmanagerin für den erfolgreichsten deutschen Aktienfonds geehrt wurde, schmiss sie hin. Warum nur? Sie hatte doch alles, Erfolg, eine große Wohnung, ein sehr auskömmliches Gehalt, ein schickes Auto.

Was sie tat, erschien ihr sinnlos. „Ich spürte weder Leidenschaft noch intellektuelle Herausforderung“, erinnert sich Susann Dreyer, die erfolgreiche Fondsmanagerin. „Da war nur noch eine große Leere, ich sah keinen Sinn mehr in meinem Tun.“[1] Sie zog die Konsequenzen, sie kündigte, unterrichtete Mathematik in einer Gesamtschule, schrieb einen vielbeachteten Börsenratgeber für Dummies[2] und begann als Managerin bei einer Non-Profit-Organisation. Sie verlor viel Geld und gewann „Frieden mit mir selbst“[3].

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Die Geschichte könnte auch eine ganz andere sein. Es könnte darum gehen, sich nach einer erfolgreichen und arbeitsreichen Phase endlich den Kindern, dem Reisen oder etwas Anderem widmen zu wollen. Es könnte darum gehen, das eigene Unternehmen in der Karibik zu realisieren. Es könnte darum gehen, den Traumjob zu kreieren. Oder es könnte auch darum gehen, ins Kloster zu gehen oder im Zelt zu leben. Es gibt unzählige solcher Geschichten, unzählige Menschen, denen die – oft erfolgreiche – Routine nicht mehr reicht, die sich ganz anderes vorstellen können oder wollen, als den engen Rahmen ihres bisherigen Tuns.

Meine eigene Geschichte begann als Leiter Organisationsentwicklung des größten öffentlichen Entsorgungsunternehmens in Deutschland. Eigentlich ging es mir gut. Ich hatte in den letzten fünf Jahren was aufgebaut. Meine Truppe war zu einer schlagkräftigen, qualitativ hochwertigen Einheit zusammengewachsen. Nach anfänglichen Schwierigkeiten hatte ich gelernt, was Führung bedeutet. Die Projekte, die wir im Haus gestemmt haben, haben tatsächliche Veränderungen angestoßen. Und das Einkommen war auch ok. Jeden Monat ein ordentlicher Batzen Geld auf dem Konto. Das hatte schon was. Und trotzdem war da die Unzufriedenheit. Ich wollte mehr. Eigentlich war ich doch zum Geschäftsführer berufen, dachte ich. So begann mein Aufbruch in die Selbständigkeit.

Es gibt unzählige solcher Geschichten, unzählige Menschen,
denen die – oft erfolgreiche – Routine nicht mehr reicht.

Sollte Ihnen eine dieser Geschichten also irgendwie vertraut erscheinen, weil auch Sie mit der eigenen Situation oder der eigenen Unzufriedenheit hadern, grämen Sie sich nicht, ob Ihrer Unruhe. Das ist erstens nicht ungewöhnlich und zweitens völlig in Ordnung. Diese Unruhe zeigt zunächst einmal an, dass irgendwas an der Art, wie sie sich gerade selber wahrnehmen, und dem Bild, wie sie eigentlich sein wollen, nicht zusammenpasst. Dafür gibt es sogar einen psychologischen Fachbegriff, die Selbstdiskrepanz. Dieser Begriff besagt, dass „eine Person (…) sich nicht so (erlebt), wie sie sein möchte oder wie sie glaubt, sein zu müssen.“[4]

Die Idee dahinter bedeutet folgendes:

  1. Ich erlebe mich aktuell in einer bestimmten Weise. Das ist das Real-Selbst.
  2. Ich meine aber eigentlich anders zu sein, oder ich will anders sein. Das ist das Ideal-Selbst.
  3. Ich meine anders sein zu sollen, weil andere das erwarten. Das ist das normative Selbst.

Wenn das Real-Selbst einerseits und das Ideal- oder das normative Selbst andererseits nicht übereinstimmen, wird’s gefühlig. Ich bin unzufrieden, gereizt oder gelangweilt. Sind es zu Beginn noch sanfte Symptome – der Gedanke etwa, etwas anders zu machen –, werden sie nach und nach stärker. Ich fahre schneller aus der Haut und weiß gar nicht warum. Ich bin öfter gelangweilt und verstehe es nicht. Hat sich doch nichts verändert im letzten halben Jahr. Oder doch? Doch! Meine Haltung verändert sich gerade. Was ich bisher gerne getan oder zumindest akzeptiert habe, geht nicht mehr. Ich will etwas Anderes. Ich stehe vor einem Umbruch, ob mir das passt oder nicht.

Sollte es Ihnen ähnlich ergehen, solche Gefühle gerade an die Oberfläche kommen oder schon länger an Ihnen nagen, lohnt es, tiefer einzusteigen.

Der Bruch ist unausweichlich – über Lebensphasen und Selbstdiskrepanzen

Es beginnt damit, dass Sie schaudern, wenn Sie darüber nachdenken, ob Ihr Leben jetzt in den eingeschliffenen Wegen so weitergehen soll. Vielleicht sind Sie auch schon so unzufrieden mit der eigenen Situation, dass sich die Erkenntnis, es müsse sich was ändern, nicht mehr verdrängen lässt. Ist das normal? Woran liegt es, dass so viele Menschen ihres Erfolges überdrüssig werden? Wir wollten mehr darüber wissen und haben uns auf die Suche gemacht.

Menschen am Wendepunkt

Die Rückkehrer

Ein Bruch im Leben kann hart sein, ihm aber auch eine neue Richtung geben. Drei Menschen über ihre Auszeiten – und wie sie diese genutzt haben.

Text: Harald Willenbrock, Fotografie: Tillmann Franzen, Anna Ziegler

Machen Sie den Lebensphasen-Test.
Wo stehen Sie gerade?

Sie haben mit Sicherheit von der Mid-Life-Crisis gehört. Sie ist ein empirisch belegtes Phänomen, aber bei weitem nicht der einzige Scheidepunkt im Leben. Deshalb haben eine Reihe von Autoren die Idee der Lebensphasen aus der Entwicklungspsychologie übernommen. Bernard Lievegoed etwa, ein niederländischer Arzt und Organisationsentwickler geht von vier Lebensphasen aus, die wiederum in jeweils drei Mal sieben Jahre unterteilt sind. Die Kindheit, die Erwachsenheit, die Reife und das Alter.

Wir möchten Ihnen die Gelegenheit geben, herauszufinden, in welcher Lebensphase Sie sich befinden und welche Aufgabe sich mit dieser Lebensphase verbindet. Das jedenfalls ist die Idee, die dem nachfolgenden Fragebogen zugrunde liegt, der uns dankenswerterweise von Karl Kraichgauer zur Verfügung gestellt wurde, der die Seite https://www.gluecksarchiv.de/  betreibt.


[1]
UMSTEIGER, Ausstieg aus der Karriere von Daniel Rettig, Manfred Engeser und Annina Reimann, 30. März 2012, Wirtschaftswoche, Quelle: https://www.wiwo.de/erfolg/beruf/umsteiger-ausstieg-aus-der-karriere/6358576-all.html, 19.01.2021

[2] Susan Levermann, Der entspannte Weg zum Reichtum, dtv

[3] Susan Dreyer und Uwe Lang über gute Geldanlagen, Geld gut anlegen von Mareike Fallet und Eduard Kopp, 25.4.14, chrismon Mai 2014, Quelle: https://chrismon.evangelisch.de/artikel/2014/geld-gut-anlegen-21262, 19.01.2021

[4] Theresa Wechsler, Astrid Schütz: Selbstkonzepte, Selbstdiskrepanzen und ihre Bedeutung im Coaching, https://link.springer.com/referenceworkentry/10.1007%2F978-3-662-45119-9_87-1, 03.12.2020

Titelphoto: Christian Ridder (http://business-as-visual.com/)

Autor: Dieter Bickenbach

Autor: Dieter Bickenbach

Co-Gründer und Geschäftsführer des geschaeftswarenladens

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